Das GZ-Burgberg-Interview mit Horst Woick

Das GZ-Burgberg-Interview mit Horst Woick
Horst Woick (2.v.l.) in seinem Element: 2014 enthüllt er auf dem Burgberg testweise das Plastikmodell der Harzburg, das später gegen ein aus Eisen gegossenes ersetzt wird. Foto: Schlegel

Eine Lösung für die Zukunft

„Was sagt ein Burgberg-Experte zu den millionenschwerer Turmplänen?“, dies fragte sich die GZ-Redaktion und deren Bad Harzburger Redaktionsleiter Holger Schlegel führte ein umfassendes Interview mit dem EX-Kurdirektor und anerkannten Burgberg-Experten Horst Woick. Der Förderverein Historischer Burgberg bedankt sich bei der Goslarschen Zeitung für die Veröffentlichungsrechte:

Bad Harzburg. Die Pläne, auf dem Burgberg für mehrere Millionen Euro eine neue Turmanlage auf den Überresten des Pulverturms zu bauen, sorgt in Bad Harzburg für Diskussionen. Einer, der die Entwicklungen auf dem Berg seit Jahrzehnten wie kaum ein Zweiter mitverfolgt und mitgestaltet, ist Horst Woick. Er ist ehemaliger Kurdirektor, langjähriger Burgberg-Förderer und anerkannter Burgen-Experte. GZ-Redakteur Holger Schlegel hat sich mit dem 91-Jährigen über die neuen Ideen für Bad Harzburgs Hausberg unterhalten.

Herr Woick, Sie sind seit vielen Jahrzehnten eng mit dem Burgberg verbunden – als Kurdirektor, Fördervereins-Vorsitzender, Wanderführer und Burgenexperte. Was bedeutet Ihnen der Burgberg ganz persönlich?

Der Große Burgberg ist für mich im Zusammenhang mit dem Kleinen Burgberg und dem Sachsenberg eine besondere Formation von drei historischen Bergkuppen am nördlichen Rand des Harzes. Dazu kommen die weiteren Berge und Areale der früheren kaiserlichen Pfalzen und Burgen mit Goslar und Werla. Alle zusammen bilden bis heute ein historisches Dreieck deutscher Geschichte. Hier hat der Große Burgberg mit den früheren Harzburgen eine ganz besondere Stellung.

Die Suche nach dem Fluchtstollen im Kaiserbrunnen auf dem Burgberg begleitete Horst Woick in den 1960er Jahren als Bauingenieur im Bauamt der Stadt Bad Harzburg. Foto: Ahrens-Archiv

Wie weit reicht Ihre Erinnerung zurück, was den Wiederaufbau oder die Pflege der Burgberg-Ruine betrifft?

Meine erste Bekanntschaft mit den Ruinen der Harzburg machte ich gleich in den ersten Jahren (ab 1963) meiner Tätigkeit im städtischen Bauamt der Stadt Bad Harzburg. Da begleitete ich die Ausgrabungen des Denkmalamts Hannover. Ich hatte aber auch zunehmend ehrenamtlich mit dem Berg zu tun, bei vielen Beratungen und Forschungen laienhafter Geschichtsforscher. Dabei kam ein ganz besonderes Ereignis zum Tragen. Ein Ratsherr, H.-Henning Borchardt (später namentlich Freiherr v. Bernewitz) wollte unter Mithilfe der Freiwilligen Feuerwehr den Burgbrunnen erkunden. Dieser war aber mit Wasser gefüllte. Das Abpumpen mit benzingetriebenen Pumpen gelang aber nicht. Um diese Panne zu klären, besann man sich auf mich, den neuen Bergingenieur im Bauamt. Der müsste das klären. So konnte das Problem schnell gelöst werden. Mit elektrischen Pumpen aus dem Abwasserbereich wurde das Wasser bis zum Brunnengrund entfernt, leider aber bestehend dieser aus vielen Geröllaufschüttungen der letzten 100 Jahre. So konnte der Brunnen aber provisorisch auf einem Brett an einer Seilwinde befahren, erkundet und am Grund betreten werden. So fand man aber in rund elf Metern Tiefe einen vorher unbekannten Wasserzuleitungsstollen, der wohl der sagenhafte Fluchtstollen von Kaiser Heinrich IV. sein konnte. Damit waren fast alle offenen Fragen des Burgbrunnens geklärt. Spätere Erkundungen und Funde der Wasserzuleitungsrohre und Sammelbehälter in den näheren Bergen kamen dazu. So halten uns die Geheimnisse des Burgbrunnens und der Harzburg bis heute „gefangen“.

Der Förderverein hat mit dem Star-Architekten Max Dudler einen prominenten Partner für den Turm gewinnen können. Der sagt, man wolle „nicht historisieren, sondern neu interpretieren“. Was halten Sie persönlich von diesem Ansatz – Tradition versus Moderne?

Aus heutiger Sicht halte ich das für genau richtig. Es wäre nicht sinnvoll, lediglich die alten Mauern zu rekonstruieren oder vergangene Zeiten zu imitieren. Die vielen modernen Stahlgerüste ohne jeglichen historischen Bezug auf vielen Harzer Höhen sind auch keine nachahmenswerte Alternative. Deshalb: Tradition im Ansatz, aber moderne Architektur dazustellen, ist die Lösung für die Zukunft!

Haben Sie in Ihrer Zeit als Kurdirektor oder Vereinschef bereits andere Turm-Wiederaufbau-Projekte erlebt? Wenn ja, was waren die größten Herausforderungen?

Ja, vor über 30 Jahren sollte der urkundlich bekannte „Pulverturm“ als Stahl-Glas-Turm mit historisch geprägten Etagen und einem Museum erstellt werden. Der Denkansatz war zeitgemäß, aber es scheiterte an der Finanzierbarkeit. So konnte sich die heutige Gastronomie entwickeln. Es fehlen aber bis heute die baulichen Andeutungen und Aussagen über die verschiedenen Harzburgen.

Der Pulverturm soll erhalten und sichtbar sein – das ist sehr symbolträchtig. Was versprechen Sie sich davon?

Die Ausmaße der ersten Harzburg sind weiterhin recht unbekannt, eine Wiederherstellung des neueren Teils einer späteren Harzburg ist für die Symbolik einer kaiserlichen Burganlage gut und wichtig. Dass dabei heute moderne Bauformen und Materialien verwendet werden, ist genauso richtig. Es muss nicht immer alles uralt aussehen, um Historisches nachzuempfinden. Auf den Inhalt kommt es an.

Ungewöhnliche „Feldforschung“, die nichts unversucht ließ: Bauamtsleiter Ulrich Hamann und Bauingenieur Horst Woick machten sich im Frühjahr 1967 mit Wünschelruten auf der Suche nach Grundmauern der Kapelle Heinrich IV. Foto: Ahrens-Archiv

Ein zentrales Element ist der berühmte Burgbrunnen – die Legende besagt, dass Heinrich IV. dort geflohen sein soll. Wie groß ist für Sie der Wert solcher Erzählungen für die Identität Bad Harzburgs?

Dem historischen und noch vorhandenen Burgbrunnen mit seiner sagenhaften Vergangenheit eine bessere Erlebbarkeit zugeben, ist bei allen Planungen sehr wichtig. Diesem eine neue Aufwertung durch die Anlage einer zweiten Etage zu geben finde ich genial. Dabei werden die vorhandenen Probleme der touristischen Erschließung und Sichtbarkeit mit einem Schlag gelöst. Es gibt da viele Möglichkeiten, an die ich früher nicht gedacht hätte. Sehr wichtig ist, dass man den Brunnenausbau, den sagenhaften Fluchtstollen indirekt von innen beleuchtet und die reale Tiefe durch eine Lichterkette selbst bei Tageslicht von oben sehen kann.

Ein Thema bei der Präsentation war: Am Berg gibt‘s Qualität, unten Rummel. Wie sorgen wir Ihrer Meinung nach dafür, dass das neue Angebot die Authentizität des Burgbergs bewahrt?

Zu diesem Thema möchte ich mich als letzter „Kurdirektor“ von Bad Harzburg nicht äußern. Der durch die Gesundheitsreformen und den Zeitgeist geänderte Touristik hat eine ganz andere Entwicklung als vor Corona genommen. Mit großem Erstaunen verfolge ich den Bau der vielen Freizeitanlagen bundesweit, aber auch hier auf den Harzer Höhen und in den Tälern. Alles, was früher unmöglich war, ist heute auf schnelles Erleben und Sehen getrimmt. Was wird jetzt noch alles möglich sein? Den dazu gehörenden Themen Autoverkehr und Parkmöglichkeiten sowie echtem Naturerlebnis wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Zugänglichkeit war ein Punkt – kein Shuttle, keine Kapazitätserweiterung bei der Bergbahn. Glauben Sie, das reicht für die zu erwartenden Besucher-Zahlen oder braucht es doch mehr Wege und Ausschilderung?

Ein sehr schwieriges Thema. Vielleicht hätte ja mein Plan von 1990 zu einer Verkehrsentlastung gesorgt: Durch den Burgberg sollte ein Tunnel gebaut werden. Aber der war den Verantwortlichen damals letzten Endes zu teuer.

Man kann heute noch nicht sagen, was die Zukunft bringt. Die teilweise langen Warteschlangen und die Parkplatznot im näheren Bereich ist sehr beachtlich und damit ein ständiges Thema. Für die Zukunft wäre eine zweite (oder mehr) Parkebene sicher sinnvoll. Eine weitere Bergbahn beziehungsweise eine Vergrößerung der Kabinen scheidet aus der augenblicklichen Situation aus. Lediglich eine Schwebebahn zum Molkenhaus mit weiteren Parkplätzen zum Beispiel im Bereich des Gabbro-Steinbruchs würde die Situation verändert und vor allem den Verkehr im Kalten Tal reduzieren. Aber die dortige Entwicklung im Nationalpark und mit der geplanten Steinbruch-Erweiterung ist noch nicht abzusehen.

Das Projekt ist ambitioniert: zwei Jahre Bauzeit, sieben Millionen Euro plus Gutachten. Welche Finanzierungsmöglichkeiten sehen Sie – zum Beispiel Spenden aus der Bürgerschaft, öffentliche Gelder, Sponsorenschaften? Welche Rolle sollte die Stadt Bad Harzburg spielen, und was kann die Bevölkerung beitragen?

Alle Aussagen dazu sind in der heutigen Zeit sehr spekulativ. Aber der Förderverein Historischer Burgberg beziehungsweise sein jeweiliger Vorstand haben gezeigt, dass man mit Spenden und Sponsoring viel erreichen kann. Selbst Unmögliches ist dann doch noch wahr geworden.

Angenommen, die Finanzierung stünde morgen – wie würden Sie den Burgberg in zehn Jahren sehen? Welche Erlebnisse möchten Sie jungen Generationen ermöglichen?

Die Darstellung der Reste der alten Harzburgen finde ich dann ausreichend. Ergänzungen und Aussagen können immer dazu kommen. Wenn die heutige Jugend überwiegend auf „Fun and Speed“ aus ist, sollte man die Vergangenheit und Natur nicht außer Acht lassen. Der neue Harzburg-Turm wird, vorwiegend aus Norden gesehen, für Jahrhunderte ein markanter Leuchtturm am weiten Rand des Harzes sein!

ZUR PERSON

Horst Woick (91) hat wie kaum ein anderer er in den vergangenen Jahrzehnten in, über und auch unter Bad Harzburg Spuren hinterlassen. Über sein Leben könnte man ein Buch schreiben. Braucht man aber nicht. Auch das hat er nämlich schon längst selbst erledigt.

Horst Woick 1972 als Bauingenieur im Bauamt der Stadt Bad Harzburg.

Die spannende Lebensgeschichte von Horst Woick beginnt in Finnland, wo sein Vater, eigentlich aus Hannover stammend, als Holzeinkäufer eines englischen Papier- und Zeitungsverlages arbeitete. 1938 kehrte Familie Woick zurück nach Hannover. Nach dem Krieg begann er ein duales Studium zum Bergingenieur in Clausthal-Zellerfeld. Mitte der 1960er Jahre ließ er sich mit seiner Frau Helga in Bad Harzburg nieder. In dieser Zeit wechselte Woick den Beruf, aus dem Bergmann wurde ein Tiefbauingenieur im städtischen Bauamt, er zog in dieser Zeit neue Straßen, beispielsweise entstand in seiner Schaffenszeit die Forstwiese. Obwohl er auserkoren wurde, das Bauamt zu leiten, wechselte er wieder das Metier: 1983 wurde er Kurdirektor in Bad Harzburg, ein Amt, das er zehn Jahre lang bekleidete.

Das sind die reinen Eckdaten. Aber Horst Woick spulte nicht nur seinen Job und seine Passionen ab, sondern war über Jahrzehnte in vielen Belangen des Bad Harzburger Lebens der Mann für das Besondere. Manches blieben Träume, gar Spinnereien, beispielsweise die Idee, für die B4 einen Tunnel durch den Burgberg zu graben, oder Flamingos im Kurpark anzusiedeln. Anderes wurde realisiert, seien es die Parkplätze am Rande der B4, sei es die Kläranlage in Eckertal, sei es später in der Kurdirektor-Ära die Renovierung der Wandelhalle, die ihr heutiges Erscheinungsbild Horst Woick verdankt. Er war es auch, der die Kurgastdame auf Esel, eine Skulptur am Berliner Platz, ersann und zum heimlichen Wahrzeichen Bad Harzburgs machte.

In seiner Freizeit war der eingefleischte Wandersmann im MTK aktiv, er gehört zu den Erfindern der Harzüberquerung. Horst Woick ist auch an der Geschichte Bad Harzburgs und der Harzburg interessiert, im Förderverein Historischer Burgberg fand er ein weites Betätigungsfeld. Er war dort 17 Jahre im Vorstand, zuletzt als Vorsitzender und wurde 2016 zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

Am liebsten hätte er die Harzburg wieder aufgebaut, und zwar größer, als sie wohl jemals gewesen ist. Aber es blieb am Ende „nur“ bei den vielen großen und kleinen historischen Besonderheiten auf dem Plateau, wie beispielsweise den Rundweg. Und ganz nebenbei legte er nebenan auf dem Sachsenberg den Besinnungsweg an.